Zukunftsforscher Jan Berger blickt in die (Finanz)Welt von morgen

Leasing als Treiber für Fortschritt und Innovation

Jan Berger, CEO 2b AHEAD

Die stürmischen technologischen Veränderungen der vergangenen zwanzig Jahre haben keine Branche der Wirtschaft unberührt gelassen. Definierte sich seit dem Industriezeitalter Marktmacht über den Besitz von materiellen Gütern und Infrastruktur, so ist das heute nicht mehr der Fall. Der Besitz von Daten, die Fähigkeit, diese schnell auszuwerten, bereitzustellen und damit ein Geschäft zu ermöglichen ist der Garant dafür, den Markt zu prägen. Weltweit hat sich zwischen die Hersteller materieller Güter und die Endkunden eine virtuelle Schicht geschoben, die Einfluss darauf nimmt, welche Produkte ein Kunde erwirbt. Das gewinnbringende Geschäft wird überwiegend in dieser Zwischenschicht gemacht und nicht mehr in einer 1:1-Beziehung zwischen Kunden und Hersteller.

Oft werde ich gefragt, ob das eine gute oder eine schlechte Entwicklung sei? Die Bewertung dessen, ob neue Technologien positive Veränderungen mit sich bringen, ist eine Frage des Blickwinkels. Der Droschkenkutscher, der Anfang des vergangenen Jahrhunderts seinen Job an Kraftfahrer verlor, empfand diesen Fortschritt als Bedrohung. Und doch führte die Fähigkeit, Menschen und Güter schneller und bequemer von A nach B zu bringen, dazu, dass die Menschheit in einem Maße zusammengewachsen ist, wie das vor einhundert Jahren noch undenkbar war.

Technologie ist neutral. Wie wir sie jedoch einsetzen, ist eine Frage unserer Entscheidungen. Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Zeit vergeuden, wenn wir wie Don Quixote versuchen, neue Technologien zu verteufeln oder gar aufzuhalten. Ich halte es für viel sinnstiftender, wenn wir uns damit beschäftigen, wie diese neuen Technologien für jeden Einzelnen von uns einen Mehrwert bringen können und diesen dann zu nutzen.

Welche Technologien wirken sich auf Finanzdienstleistungen aus?

Die Plattformökonomie hat den Handel radikal verändert – auch in der Welt der Finanzdienstleistungen. Mit Paypal oder Alipay haben sich weltweit Dienstleister etabliert, die die Funktion des Bezahlens so einfach gestalten, dass sich immer mehr Menschen fragen, wozu sie eigentlich noch Bargeld, Karten oder gar Konten bei Banken benötigen. Vergleichsportale führten dazu, dass heute nicht mehr einzelne Menschen oder Unternehmen bei Banken Bittsteller sind, sondern dass Banken sich buchstäblich darum bewerben, den einzelnen Kunden ein Darlehen zu günstigen Konditionen anzubieten.

Und wenn das schon für Unruhe in der Finanzbranche gesorgt hat, so stehen einige Technologien vor der Tür, die gewohnte Handlungsweisen neu definieren werden:

Im Mittelpunkt steht der Mensch

Letztlich sind wir Menschen mit unseren individuellen Vorlieben der Faktor, der am meisten die Zukunft beeinflusst. Die beschriebenen Technologien müssen uns keine Angst machen, wenn wir verstehen, wie wir sie für uns nutzen können. Menschen und Computer sind grundlegend unterschiedlich. Wir Menschen sind unglaublich gut darin, komplexe Konzepte zu verarbeiten, Entscheidungen zu treffen und nach einem eigenen Willen zu handeln. Wir versagen, wenn es darum geht, aus Tausenden von Daten schnell eine belastbare Aussage zu ermitteln. Computer sind das genaue Gegenteil von uns. In Sekundenbruchteilen werten sie Hunderttausende Datensätze aus und liefern uns als Ergebnis die schnellste Strecke von A nach B. Jedoch besitzen sie keinen Willen. Warum sollten wir uns dann nicht von Maschinen ergänzen lassen, um selbst bessere Entscheidungen zu treffen? Wir Zukunftsforscher nennen dieses Prinzip Komplementarität.

Die meisten von uns sind in einer Welt groß geworden, in der das Preis-Leistungs-Verhältnis ausschlaggebend für unsere Kaufentscheidungen war. Je mehr Leistung in einem Produkt steckte, desto höher war der Preis. Im Ergebnis ordnete sich der Handel in einer Pyramide mit einem kleinen Premium-Segment an der Spitze, einem größeren Economy-Segment am Boden und einem starken Standard-Segment in der Mitte. Doch diese Welt existiert nicht mehr. Das Standard-Segment schrumpft, während digitale Technologien das Einkaufen zum billigsten Preis ermöglichen und so das Economy-Segment wachsen lassen.

Und gleichzeitig geschieht etwas Interessantes: Auch das Premium-Segment wächst und weitet sich aus. In diesem Segment ist aber nicht mehr das Preis-Leistungs-Verhältnis ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. Die Basisleistung eines Dienstes oder Gegenstands wird vom Käufer vorausgesetzt. Er fällt seine Entscheidung für oder gegen ein solches Produkt auf der Grundlage, ob es sich eignet, seine eigenen Werte auszudrücken – Sportlichkeit, Tierliebe, Familien- oder Ernährungsbewusstsein… Wer in Zukunft in der Lage sein wird, solchen Zielgruppen passgenau Produkte anzubieten, wird sich an der Bereitschaft dieser Kunden erfreuen, mehr Geld für ein Produkt gleicher Leistung auszugeben.

Wirtschaftliche Sicherheit und Innovation dank Leasing

Und an dieser Stelle wird die Leasing-Wirtschaft ein gigantischer Treiber für Fortschritt und Innovation sein. Nicht, indem sie selbst Milliarden in neue Technologien investiert oder die Internetgiganten kopiert. Sondern indem sie für ihre Kunden die schon bestehenden Technologien nutzbar macht. Stellen Sie sich vor, eine Leasing-Gesellschaft vermittelt einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb nicht nur einen Leasing-Vertrag für die Anschaffung einer neuen Maschine, sondern befasst sich damit, welche Daten dieser Betrieb mit diesen Maschinen erheben kann und berät ihn, wie er selbst sein Geschäft aus dem Economy-Segment ins Premium überführt. Das kann ganz einfach sein:

Immer mehr Menschen in Deutschland sind bereit, einen kräftigen Aufpreis für gesunde, nachhaltige oder regionale Ernährung zu zahlen. Doch können diese Menschen wissen, dass ihre Lebensmittel wirklich aus der Region stammen? Ja! Denn viele Landmaschinen sind heute schon mit mehr Sensorik und Elektronik ausgestattet, als die Apollo-Mondmission! Mit diesen Sensoren lassen sich Daten über Bodenqualität, Erntedatum, Tierernährung, Aufzuchtort usw. erheben. Wenn diese Daten für Lebensmittelkäufer einfach sichtbar und nachvollziehbar dargestellt werden, wecken sie Vertrauen, Sicherheit und positive Gefühle beim Endverbraucher! Der Landwirt wird also nicht nur ein besseres Geschäft machen können. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird er einen Teil der Gewinne in weitere „intelligente“ Maschinen investieren, um sich seine Zukunft als Produzent hochwertiger Lebensmittel zu sichern und nie wieder in eine Situation zurückzukehren, wo er nur Lieferant für große Lebensmittelketten war, die ständig seine Preise drückten.

Wenn es also gelingt, nicht nur ein „Standard“-Finanzprodukt zu verkaufen, sondern den Kunden auch noch durch exzellentes Fachwissen zu begeistern und ihm zu helfen, wirtschaftlich erfolgreicher zu werden, dann wird die Leasing-Gesellschaft selbst zum Premium-Anbieter. Das verursacht nicht einmal große Kosten. Der entscheidende Faktor wird sein, ob wir die Veränderungen, die uns umgeben, als Risiko oder als Chance verstehen. Wer zuvorderst die Chancen betrachtet, wird sich eine große Zukunft selbst gestalten!

Jan Berger, CEO 2b AHEAD

2b AHEAD ist ein innovatives ThinkTank und eines der größten unabhängigen Zukunftsforschungsinstitute in Europa. Der ThinkTank analysiert in wissenschaftlichen Trendstudien die Chancen und Risiken der Trendentwicklungen individuell für seine Kunden und ihre Geschäftsfelder. Jan Berger ist Vorsitzender der Geschäftsführung von 2b AHEAD. Der Historiker und Slawist lebte viele Jahre auf verschiedenen Kontinenten. Er bekleidete eine Reihe von Führungspositionen in international agierenden Unternehmen, darunter in einem dänischen Immobilienkonzern und einem preisgekrönten Fintech-Start-up. In den USA, Russland, Europa und Südafrika leitete er ebenfalls erfolgreiche Projekte.