Realinvestitionen in Deutschland bleiben steuerlich benachteiligt

Zwar hat die Investitionstätigkeit in Deutschland in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen, dennoch bleiben die Zuwachsraten hinter den Werten früherer Hochkonjunkturphasen zurück. Die seit Jahren beklagte Investitionslücke schließt sich nur zögerlich, die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten steuern auf eine deutliche Überauslastung zu.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat in einer Studie die Investitionshemmnisse für private Investitionen untersucht. An vorderster Stelle nennen die befragten Unternehmen wirtschaftspolitisch verursachte Investitionshemmnisse – „darunter mit weitem Abstand das hohe Regulierungsniveau und die Bürokratie. Weit mehr als ein Drittel der Firmen sieht ihre Investitionsanreize zudem in einem starken Ausmaß durch hohe Energiekosten und Unternehmenssteuern beeinträchtigt“, heißt es in der Untersuchung „Investieren Staat und Unternehmen in Deutschland zu wenig?“. Das IW Köln empfiehlt u.a. die Wiedereinführung der degressiven Absetzung für Abnutzungen (AfA), um Investitionsdynamik anzustoßen.

Die aktuellen steuerlichen Abschreibungsbedingungen stellen mittlerweile ein zentrales Hemmnis für Unternehmensinvestitionen dar, denn sie bilden den tatsächlichen Wertverzehr von Investitionsgütern oft nur unzureichend ab. Die degressive AfA, die den Wertverlauf der meisten beweglichen Wirtschaftsgüter am zutreffendsten widerspiegelt, ist mit Wirkung ab 2011 weggefallen. Die verbleibende lineare AfA erfolgt wegen veralteter amtlicher AfA-Tabellen meist über einen zu langen Zeitraum und dementsprechend mit zu geringen Abschreibungssätzen. Denn durch technologischen Wandel, insbesondere die Digitalisierung, und immer kürzere Innovationszyklen können Investitionsgüter heutzutage meist nur sehr viel kürzer wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt werden, als es die zuletzt Anfang der 2000er-Jahre überarbeiteten AfA-Tabellen unterstellen.

Die unzulängliche AfA-Verrechnung betrifft nur inländische Realinvestitionen, jedoch keine Finanzinvestitionen und keine Investitionen im Ausland. Sie benachteiligt deshalb gerade diejenigen Unternehmen, die im Inland in Maschinen, IT-Ausrüstung, Industrieroboter oder ganze Fertigungsstraßen investieren, um Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Dadurch entstehen Fehlanreize, die nicht unwesentlich zum strukturellen Investitionsdefizit in Deutschland beitragen.

Regierungskoalition versäumt Weichenstellung für Realinvestitionen

Die alte und neue Regierungskoalition hat es versäumt, in der neuen Legislaturperiode die Weichen für eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Realinvestitionen zu stellen. „Der Koalitionsvertrag zeigt sich im Bereich der Steuerpolitik wenig ambitioniert“, sagt Bernhard Regnery, bis April Vorsitzender des Bilanz- und Steuerausschusses des BDL. „Trotz des begrüßenswerten Verzichts auf neue Schulden hätte angesichts von Rekordsteuereinnahmen ein erheblicher Spielraum zur Entlastung investierender Unternehmen bestanden. Stattdessen bleiben de facto die meisten Betriebe mit Solidaritätszuschlag belastet, wird weiter am Ziel einer Finanztransaktionssteuer festgehalten und drohen Verschärfungen bei der Grunderwerbsteuer, die effiziente Umstrukturierungen im Immobilienbereich behindern.“

Besonders bedauerlich sei, dass sich die Koalition nicht zu einer dauerhaften Wiedereinführung der degressiven AfA durchringen konnte. „Offenbar sieht die Politik die degressive AfA als reines konjunkturpolitisches Steuerungsinstrument oder sogar als Subventionstatbestand“, bedauert Regnery. „Dabei entspricht diese ‚Abschreibung in fallenden Jahresbeträgen‘ ganz einfach dem tatsächlichen Wertverlauf der meisten Wirtschaftsgüter. Sie ist deshalb nach den Grundprinzipien unseres Steuersystems – Stichwort Leistungsfähigkeitsprinzip und Gleichheitsgrundsatz – sachlich geboten, um eine steuerliche Benachteiligung von Real- gegenüber Finanzinvestitionen zu vermeiden.“

Als kleiner Lichtblick im Koalitionsvertrag ist das Vorhaben zu werten, eine Überarbeitung der AfA-Tabellen „zugunsten digitaler Innovationsgüter“ zu prüfen. Damit wird zumindest in einem Teilbereich eine zentrale steuerpolitische Forderung des BDL aufgegriffen. „Die Koalition sollte hier aber nicht zu kurz springen und den Begriff der digitalen Innovationsgüter nicht zu eng fassen“, fordert der Ausschussvorsitzende. „Viele analoge Assets lassen sich nicht digital aufrüsten und sind deshalb den zukünftigen Anforderungen der Industrie 4.0 nicht gewachsen. Sie verlieren dadurch dramatisch an Wert, weil die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen sie nicht mehr wirtschaftlich einsetzen können. Wenn die Politik hier nicht gegensteuert und die Abschreibungsbedingungen entsprechend verbessert, verpasst Deutschland den Anschluss und wird mit der Konkurrenz aus China, den USA oder Indien in Zukunft nicht mehr mithalten können.“